Aufbruch nach dem Sozialistengesetz

Der Fall des Sozialistengesetzes 1890 wurde von den Sozialdemokraten überall im Reich gefeiert. Die wenigen Hildener, die sich damals schon offen zur SPD bekannten, werden das Ende des Gesetzes in Düsseldorf oder Solingen erlebt haben. In Hilden selbst blieb es noch auf längere Zeit hinaus ruhig. Der 1. Mai 1890 verlief ohne jegliche Kundgebungen, und so blieb das auch in den folgenden Jahren.

Zwar gab es einzelne besonders rührige Sozialdemokraten: den Textilarbeiter Carl Orthmann, der in der Klotzstraße wohnte; Wilhelm Haukamp, Arbeiter in der Textilindustrie – er wohnte im „Klef“ –, und Hermann Jaspers; zwar kamen in geringer Anzahl Parteizeitungen nach Hilden, die „Freie Presse für Berg und Mark“ sowie die in Düsseldorf erscheinende „Niederrheinische Volkstribüne“, aber von den Wahlkämpfen abgesehen, trat die Arbeiterbewegung in Hilden öffentlich nicht in Erscheinung. Weder gab es eine fest gefügte Organisation der Sozialdemokratischen Partei noch gab es Gewerkschaften.

Das änderte sich Anfang 1894. Die erste Gewerkschaft, die nach dem Sozialistengesetz wieder erstand, war der „Deutsche Metallarbeiter-Verband“. Nur zwei Monate später folgte der „Verband aller in der Textilindustrie beschäftigten Arbeiter und Arbeiterinnen Deutschlands“. Sein Bevollmächtigter, Wilhelm Haukamp, meldete den Verband am 28. März beim Bürgermeister an. Beide Verbände tagten im Lokal Klees, mussten aber schon nach kurzer Zeit umziehen. Die Hildener Obrigkeit verstand es noch auf Jahre hinaus, die Wirte so unter Druck zu setzen, dass kaum einer bereit war, Sozialdemokraten oder Gewerkschaften ein Versammlungslokal zu geben. Dass Pfarrer von der Kanzel herab Wirte anprangerten, die ihre Lokale Sozialdemokraten zur Verfügung stellten, kam vor. Selbst ihre Feste mussten die Arbeiter auswärts feiern. Erst kurz vor dem 1. Weltkrieg besserten sich die Verhältnisse, aber auch dann blieb die Zahl der zur Verfügung stehenden Lokale gering. Wer den Arbeiterorganisationen das Versammlungslokal entzog, konnte sie empfindlich treffen. Partei- und Gewerkschaftsbüros gab es damals noch nicht, das Versammlungslokal war der zentrale Treffpunkt, wo nicht nur Neuigkeiten umgeschlagen und politische Dinge besprochen wurden. Hier wurden auch alle organisatorischen Details abgewickelt, wie Beiträge abgerechnet oder Flugblattverteilungen organisiert.

Für einige Zeit schlugen die Arbeiter ihre Zelte bei H. Lohausen in der Heiligenstraße auf. Dort sollte auch die erste Maikundgebung stattfinden. Wilhelm Haukamp meldete sie an, und prompt wurde die Versammlung vom Bürgermeister verboten. Eine Kundgebung im Freien wurde den Arbeitern aber auch nicht gestattet, und so ging das dann für einige Jahre weiter. Sozialdemokraten mussten sich darauf beschränken, ihren Standpunkt in Versammlungen der gegnerischen Parteien vorzutragen. Gelegentlich wurden solche Versammlungen von ihnen auch gesprengt – so 1895, als die in Düsseldorf ansässige Antisemitische Partei in Hilden eine Kundgebung abhalten wollte. Die Versammlung musste aufgelöst werden, meldete der Bürgermeister, „weil die Sozialdemokraten sich in der Diskussion zu Wort meldeten und Äußerungen taten, die ein polizeiliches Einschreiten nötig machten“.